Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Allgemeinen Genehmigung Nr. 42 des BAFA

Recht Russland Wirtschaft

Anastasiia Pastushchik, Sapozhnikov & Partners

Bei der Prüfung neuer Erläuterungen zur Anwendung von EU-Sanktionen, die am 2. April 2024 veröffentlicht wurden, kann eine recht interessante Konfrontation zwischen der Europäischen Kommission und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) festgestellt werden.  

In der Antwort Nr. 35, die im Text der Erläuterungen enthalten ist, kritisierte die Europäische Kommission die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 des BAFA vom 20. Februar 2024, die deutschen Unternehmen im Zeitraum vom 20. Juni 2024 bis zum 31. März 2025 die Möglichkeit gewährt, Dienstleistungen und Software an ihre Tochtergesellschaften in Russland zu liefern, ohne dass jedes Mal eine individuelle Genehmigung beantragt werden muss. Auf die Bezeichnung und die Angaben der Allgemeinen Genehmigung Nr. 42 wird im Text der Erläuterungen nicht direkt hingewiesen. Es ist jedoch klar, dass es genau darum geht, weil es sich um die erste und bislang beispiellose Genehmigung in der Rechtsprechung der Behörden der EU-Mitgliedstaaten handelt.

Gemäß der geltenden Verordnung müssen Dienstleistungsanbieter und Lieferanten von Software sowie damit verbundener technischer Hilfe oder Vermittlungsleistungen zur Inanspruchnahme der Allgemeinen Genehmigung Nr. 42 vor der ersten Nutzung bzw. innerhalb von 30 Tagen sich beim BAFA als Nutzer auf dem Portal ELAN-K2 registrieren oder eine Benachrichtigung per E-Mail versenden. Bei der Nutzung der zweiten Option ist die Angabe des Anbieters/Lieferanten und des Empfängers von Dienstleistungen und/oder Software erforderlich. In diesem Fall reicht es aus, nur die erste Lieferung zu melden; eine Meldung weiterer Lieferungen an denselben Empfänger ist nicht erforderlich. Die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 gilt nicht, wenn das Rechtsgeschäft in Bezug auf die Verfügung über eingefrorene Geldmittel oder wirtschaftliche Ressourcen abgewickelt wird.

Die Europäische Kommission erklärte, dass die EU-Mitgliedstaaten und ihre zuständigen Behörden für die Anwendung von EU-Sanktionen haften, einschließlich der Regelung und Umsetzung der Verfahren zur Erteilung von Exportgenehmigungen gemäß Absatz „h“, Klausel 10, Art. 5n der Verordnung (EU) 833/2014. Die zuständige nationale Behörde kann einen Beschluss über Erteilung einer „umfassenden  Genehmigung“ für die Erbringung einer Reihe ähnlicher Dienstleistungen an denselben russischen Empfänger innerhalb eines bestimmten Zeitraums fassen. Eine obligatorische Ergänzung zu einer solchen Genehmigung muss die Meldung ihrer Nutzung am Ende des angegebenen Zeitraums sein.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission sieht die Verordnung (EU) 833/2014 des Europäischen Rates jedoch nicht die Erteilung allgemeiner Genehmigungen für ganze Sektoren oder Tätigkeitsarten durch die zuständigen nationalen Behörden vor. Eine Allgemeine Genehmigung stellt faktisch eine Befreiung von der Pflicht zur Einhaltung von Sanktionsmaßnahmen und Verboten für Unternehmen dar.  Diese Zuständigkeit liegt ausschließlich beim Europäischen Rat.

Die Europäische Kommission war der Meinung, dass die Erteilung einer Allgemeinen Genehmigung im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht, und verwies dabei auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2015 in der Sache „Europäisch-Iranische Handelsbank AG gegen den Europäischen Rat“. Die Position des Gerichtshofs der Europäischen Union bestand in Folgendem: die zuständige nationale Behörde muss bei der Prüfung von Genehmigungsanträgen in jedem konkreten Fall eine Bewertung vornehmen und ist nicht befugt, eine allgemeine Genehmigung für eine bestimmte Kategorie von Rechtsgeschäften zu erteilen.

Es stellt sich jedoch eine völlig berechtigte Frage: ist ein solcher Verweis begründet? In dem genannten Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union handelte es sich um den Erhalt von Genehmigungen durch die iranische Bank zur Durchführung von Transaktionen in Bezug auf andere iranische Banken, gegen die individuelle Sanktionen verhängt wurden. Im Fall der Verordnung (EU) 833/2014 des Europäischen Rates handelt es sich um sektorale Sanktionen. Oder hat die Europäische Kommission beschlossen, die Position des Gerichtshofs der Europäischen Union auf ähnliche Weise anzuwenden?

Dies ist das erste Mal, dass die Europäische Kommission offiziell erklärt, dass sie mit dem Verfahren zur Anwendung der Sanktionen gegen Russland in einem einzelnen EU-Mitgliedstaat nicht einverstanden ist. Wird das BAFA mit der Aufhebung der Allgemeinen Genehmigung Nr. 42 vom 20. Februar 2024 reagieren? Werden andere EU-Mitgliedstaaten es wagen, ein ähnliches Dokument auszustellen? Das wird die Zeit zeigen.

Quelle: offizielle Website der Europäischen Kommission, FAQ-Abschnitt

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