Neue Regeln für Prüfung von Unternehmen

Recht Russland

Olga Zhuravskaya, Anastasia Kondratenko, Rödl & Partner Russland

Kurze Übersicht der Reform

Seit dem 1. Juli 2021 gelten in Russland umfangreiche Änderungen im Bereich Kontrolle und Aufsicht: Das Föderale Gesetz Nr. 248 „Über die staatliche Kontrolle (Aufsicht) und kommunale Kontrolle in der Russischen Föderation“ (nachstehend „Gesetz Nr. 248“) ist in Kraft getreten.
Im Rahmen der Reform ist geplant, Änderungen in mehr als 100 Rechtsakte auf der föderalen, regionalen und kommunalen Ebene einzubringen. Zum Beispiel werden das Gesetz über personenbezogene Daten und das Gesetz über den Brandschutz angepasst. Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, den Gegenstand der Kontrolle und Aufsicht für jeden Bereich deutlich zu definieren, Besonderheiten der Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen zu bestimmen, um dadurch das Kontrollverfahren für die Unternehmen transparenter, offener und klarer zu machen.
Das zurzeit geltende Föderale Gesetz Nr. 294 „Über den Schutz von Rechten juristischer Personen und Einzelunternehmer bei der staatlichen Kontrolle (Aufsicht) und kommunalen Kontrolle“ wird bis zum 31. Dezember 2024 eingeschränkt angewendet, insbesondere hinsichtlich des Benachrichtigungsverfahrens in Bezug auf den Beginn einiger Arten der unternehmerischen Tätigkeit oder auf die Regulierung der Migrationskontrolle, der Kontrolle über die Einhaltung des Kartellrechts und einige andere Arten der Kontrolle (Aufsicht). Es ist anzumerken, dass das Gesetz Nr. 248 sich nicht auf die Steuer-, Devisen- und Zollkontrolle erstreckt.

„Gnade vor Recht ergehen lassen!“

Im neuen Gesetz über die Kontrolle und Aufsicht wird nicht den Sanktionsmaßnahmen, sondern den Vorbeugungsmaßnahmen der Vorzug gegeben. Der Leitgedanke der Reform ist die Reduzierung des administrativen Drucks auf die Unternehmen und Verlagerung des Schwerpunkts hin zur Prävention von Verstößen.

„Die Stimulierung der redlichen Einhaltung der obligatorischen Anforderungen“ wird unter den grundlegenden Prinzipien der Kontrolle genannt. Außerdem ist der Vorrang der präventiven Maßnahmen vor den Kontrollmaßnahmen direkt im Gesetz festgelegt. Die vollständige Liste der Vorbeugungsmaßnahmen ist im Artikel 45 des Gesetzes Nr. 248 aufgeführt. Aus praktischer Sicht erwecken die Selbstuntersuchung und der präventive Besuch besonderes Interesse.
Die Selbstuntersuchung ist die selbständige automatisierte Bewertung der Einhaltung der obligatorischen Maßnahmen durch die zu kontrollierende Person. Organisationen mit guten Ergebnissen der Selbstuntersuchung sind berechtigt, eine Erklärung über die Einhaltung der obligatorischen Anforderungen abzugeben. Die Erklärung gilt ein bis drei Jahre. Sie wird bei der Kontrollbehörde eingereicht und kann durch die Organisation auf ihrer Webseite und in Werbematerialien genutzt werden.

Der präventive Besuch stellt ein Gespräch dar, das am Ort der Tätigkeit der zu kontrollierenden Person oder in Form einer Videokonferenz erfolgt. Im Rahmen des präventiven Besuchs wird die Organisation über die obligatorischen Anforderungen an ihre Tätigkeit, die Risikokriterien und die möglichen Kontrollmaßnahmen informiert. Dabei gelten die Erläuterungen des Inspektors ausschließlich als Empfehlungen. Falls jedoch festgestellt wird, dass die im Zuge des Besuchs gefundenen Verstöße eine deutliche Gefahr darstellen und gesetzlich geschützte Werte schädigen können, wird die Kontrollbehörde unverzüglich darüber informiert und es wird die Frage der Notwendigkeit der Durchführung von Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen gestellt.

Sicherstellung der Angemessenheit und Transparenz

Die durchgeführten Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen sowie die durch die kontrollierenden Personen vorgenommenen Handlungen müssen den Verstößen und Schäden angemessen sein, die den gesetzlich geschützten Werten zugefügt wurden oder zugefügt werden können. Für die Sicherstellung der Angemessenheit der Prüfungen führt das Gesetz Nr. 248 den Begriff der Schadenrisikokategorie ein und definiert sechs Risikokategorien: von gering bis außerordentlich hoch.

Unter dem Schadenrisiko wird die Wahrscheinlichkeit des Eintritts negativer Folgen für gesellschaftliche Interessen verstanden. Je höher die Risikokategorie, desto öfter werden die Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Für Kontrollobjekte, die der Kategorie mit geringem Risiko zugeordnet sind, werden grundsätzlich keine Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Wenn ein Objekt der Kategorie des außerordentlich hohen Risikos angehört, wird es mindestens einmal, jedoch nicht mehr als zweimal pro Jahr geprüft.

Das Streben des Gesetzgebers, Prüfungen für die Unternehmen transparenter und verständlicher zu machen, äußert sich vor allem in der klaren Regulierung aller Arten der Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen, darunter der bei Prüfungen zulässigen Handlungen. Zum Beispiel werden, wenn im Rahmen einer Kontrollmaßnahme unzulässige Handlungen vorgenommen wurden, die Ergebnisse der Prüfung für ungültig erklärt.

Ab 1. Juli 2021 funktioniert das Einheitliche Register von Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen. Dieses Register ermöglicht es nicht nur, die Unternehmen über die Prüfungen und Verfahren zu deren Durchführung zu informieren, sondern auch die Effizienz und Rationalität der Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen im Allgemeinen zu erhöhen.

Die kontrollierenden Personen werden Angaben über die von ihnen im Rahmen der Prüfungen vorgenommenen Handlungen und gefassten Beschlüsse ins Register eintragen. Außerdem verbietet das Gesetz Nr. 248 jegliche Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen, die nicht im Voraus – vor Beginn der Prüfung – ins Register eingetragen wurden. Somit wird die Möglichkeit, Informationen über die Prüfungen nachträglich einzutragen, technisch ausgeschlossen.

Kurs auf Digitalisierung

Der Übergang der Prüfungen hin zum Online-Format wird durch mehrere Aspekte verdeutlicht. Erstens ist geplant, jegliche Interaktion zwischen den zu kontrollierenden Personen und Inspektoren in elektronischer Form zu dokumentieren. Die Inspektoren werden elektronische Dokumente erstellen und mit ihrer qualifizierten elektronischen Unterschrift versehen. Die zu kontrollierenden Personen werden Dokumente ebenfalls in elektronischer Form an die Kontroll- und Aufsichtsbehörden versenden. In der Übergangsperiode – bis zum 31. Dezember 2023 – ist der Austausch von Informationen und Unterlagen in Papierform zulässig, falls eine elektronische Kommunikation nicht möglich ist.

Zweitens sieht das Gesetz Nr. 248 auf Grundlage der erfolgreichen Erfahrung von Prüfungen während der Covid-Einschränkungen die Möglichkeit vor, die Kontroll- und Überwachungseinkäufe, Inspektionsbesuche und Betriebsprüfungen über Audio- und Videokommunikationsmittel durchzuführen.

Drittens wird nun das vorgerichtliche Anfechtungsverfahren nur über das Portal für staatliche Leistungen oder entsprechende regionale Portale erfolgen. Nachstehend wird diese Neuerung eingehender beleuchtet.

Wichtig: Änderungen im Anfechtungsverfahren

Für die Anfechtung von Handlungen kontrollierender Personen ist nun eine Beschwerde in elektronischer Form über das Portal für staatliche Leistungen oder gleichartige regionale Portale bei der zuständigen Behörde einzureichen. Wenn die Beschwerde durch eine natürliche Person eingereicht wird, muss sie mit einer einfachen elektronischen Unterschrift oder einer verstärkten qualifizierten elektronischen Unterschrift unterzeichnet werden. Bei Einreichung einer Beschwerde durch eine Organisation ist diese mit einer verstärkten qualifizierten elektronischen Unterschrift zu unterzeichnen.

Wenn die Beschwerde Angaben oder Unterlagen enthält, die ein staatliches oder gesetzlich geschütztes Geheimnis darstellen, kann sie gemäß Gesetz Nr. 248 nicht über elektronische Portale eingereicht werden. Das Verfahren zur Einreichung solcher Beschwerden wird durch eine spezielle Regelung über die Art der Kontrolle festgelegt.

Die Fristen für die vorgerichtliche Anfechtung unterscheiden sich je nach Gegenstand der Beschwerde:

  • Die Beschlüsse einer Kontrollbehörde, sowie Handlungen (Unterlassungen) ihrer verantwortlichen Mitarbeiter können innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Tag angefochten werden, an dem die Person über die Verletzung ihrer Rechte erfahren hat oder hätte erfahren müssen;
  • Auflagen von Kontrollbehörden können innerhalb von 10 Arbeitstagen ab dem Erhalt einer solchen Auflage angefochten werden.

Eine weitere Neuerung – die obligatorische vorgerichtliche Anfechtung – tritt grundsätzlich am 1. Juli 2023 in Kraft. Es gibt jedoch Arten der föderalen staatlichen Kontrolle, für die bereits ab 1. Juli 2021 kein Gerichtsverfahren ohne vorläufige vorgerichtliche Anfechtung möglich ist. Das abschließende Verzeichnis ist in der Regierungsanordnung Nr. 663 vom 28. April 2021 aufgeführt. Darunter sind zum Beispiel:

  • Brandschutzaufsicht;
  • Sanitär-epidemiologische Aufsicht;
  • Aufsicht im Bereich der Industriesicherheit;
  • Kontrolle über die Tätigkeit akkreditierter Personen;
  • Kontrolle über die Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung und sonstiger Rechtsakte, die arbeitsrechtliche Vorschriften enthalten.

Die Anforderung an die obligatorische vorgerichtliche Anfechtung gilt nicht für natürliche Personen, die keine unternehmerische Tätigkeit ausüben.

Empfehlungen von Experten

Die Analyse des Gesetzes Nr. 248 führt zu positiven Prognosen. Die vorgeschlagenen Änderungen sollten tatsächlich helfen, den Verwaltungsaufwand der Unternehmen zu mindern, Prüfungen transparenter und verständlicher für die zu kontrollierenden Personen zu machen, sowie den Fokus von der Bestrafung für Verstöße auf deren Vorbeugung zu verlagern.

Unternehmern wird vor allem empfohlen, sich auf dem Portal für staatliche Leistungen (Gosuslugi) anzumelden und eine verstärkte qualifizierte elektronische Unterschrift zu erhalten. Dies ermöglicht den rechtzeitigen Schutz Ihrer Rechte im Falle der vorgerichtlichen Anfechtung der Prüfungsergebnisse.

Wir empfehlen auch, sich mit den wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes Nr. 248 vertraut zu machen und Änderungen in den Rechtsakten im Bereich der Kontrolle und Aufsicht zu verfolgen. Der 1. Juli 2021 ist nur der Startpunkt der Reform.

Außerdem ist zu beachten, dass die Stimulierung der redlichen Einhaltung obligatorischer Anforderungen Vorrang hat. Die zu kontrollierenden Personen können sich unabhängigen Prüfungen unterziehen, als Mitglieder von Selbstregulierungsorganisationen auftreten, Selbstuntersuchungen durchführen und Schadenrisikoversicherungen abschließen. Die genannten Handlungen helfen dabei, planmäßige Besuche der Kontrollbehörden legal zu vermeiden.

Fotoquelle: www.d-russia.ru

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